Der Kommentar - Präsidentschaftswahlen 2006


Der Kommentar - Präsidentschaftswahlen 2006
 

Lukaschenko erringt einen Pyrrhus-Sieg  - Internationale Solidarität mit nationaler Bürgerbewegung

Von Dr. Hans-Georg Wieck, Vorsitzender „Menschenrechte in Belarus e.V.“, Berlin

20. März 2006

Mit dem offiziell verkündeten Wahlergebnis der Präsidentschaftswahlen in Belarus vom 19. März hat Lukaschenko einen Pyrrhus-Sieg  errungen. Das in hohen Masse manipulierte  amtliche Ergebnis – 82, 8 Prozent der abgegebenen Stimmen für Lukaschenko, 6 Prozent für Milinkewitsch, 2,3 Prozent für Kosulin und 3,5 Prozent  für Gaidukewitsch – besitzt keine Glaubwürdigkeit:

· Russische Meinungsforschungsinstitute ermittelten im Wege von „Exit Polls“ (Befragung von Wählern nach der Stimmabgabe) das den tatsächlichen politischen Verhältnissen wohl am Nächsten kommende Ergebnis: Zwischen 43 bis  47 Prozent der abgegebenen Stimmen entfielen auf Lukaschenko und 25,6 – 31 Prozent auf Milinkewitsch. Ein Ergebnis in diesem Format macht einen zweiten Wahlgang notwendig.

· Gestützt auf eine  breite Volksbewegung, also getragen von der öffentlichen,   Meinung  versammelten sich am Wahlabend 30 bis 40.000  Demonstranten auf dem „Platz der Oktoberrevolution“ im Zentrum von Minsk. Ungeachtet der Androhung Lukaschenkos, ihnen als Terrorristen den Hals abzuschneiden, demonstrierten Bürgerinnen und Bürger  mit Blumen und mit den Flaggen des freien Belarus und der Europäischen Union gegen die Manipulation der Wahlergebnisse durch die Staatsorgane und forderten die Bekanntgabe der tatsächlichen Ergebnisse der   Stimmenauszählung. Am späten Abend legten die Demonstration am „ewigen Feuer“ auf dem „Platz des Sieges“ Blumen nieder.

· Parlamentsabgeordnete aus  Deutschland und Polen solidarisierten sich mit den Demonstranten und dem Ringen des belarussischen Volkes um Freiheit und Demokratie.

Das Regime hat rigoros die Anstrengungen einheimischer Wahlbeobachter konterkariert und sie daran gehindert, das tatsächliche Abstimmungsergebnis zu ermitteln.

Lukaschenko und seine Propagandisten versuchten, die öffentliche Demonstration der politischen Gegner gegen die amtlichen Wahlfälschungen zu verniedlichen, Aber im engsten Umkreis des unehrenhaft wiedergewählten Präsidenten wird man die negativen Folgen der  verschärften Politik der skrupellosen Einschüchterung der Bevölkerung  und  des Staatsterrors gegen die Opposition erkennen, nämlich:

· Die sichtbare Solidarisierung der Bevölkerung in Belarus und in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit den engagierten und friedliebenden Vorkämpfern für Freiheit und nationale Würde gegen  Unterdrückung und Willkür.

· Lukaschenko hat einen Pyrrhus-Sieg errungen. Er hat das ihm in der Vergangenheit entgegengebrachte Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger verspielt und sichert seine Machtstellung auf Zeit vor allem durch Unterdrückung und  durch ein nun löchrig gewordenes Informationsmonopol.

Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten sind gut beraten, dem Wahlergebnis die Anerkennung als demokratische, also als freie und faire  Wahlen zu verweigern und die noch mit dem Regime bestehenden Beziehungen weiter einzuschränken. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten sind gut beraten, die vielfach bestehenden Defizite in der unmittelbaren Zusammenarbeit mit den politischen und gesellschaftlichen Strukturen der belarussischen Zivilgesellschaft zu beseitigen. Im Rahmen einer längst überfälligen „Europäischen Politischen Strategie für Belarus“ ist ein umfassendes und für längere Zeit ausgelegtes Aktionsprogramm zu entwickeln, dessen Ziel es sein muss, dem Land und seinen Menschen bei ihren  Bemühungen zur Seite zu stehen, ihren legitimen Platz im Kreis der europäischen Demokratien einnehmen zu können.

Mehrheitlich hofft die Zivilgesellschaft in Belarus auf ein wirkungsvolles europäisches Engagement und auf die politische Solidarisierung Europas mit dem Freiheitsringen der demokratischen und gesellschaftlichen Bürgerbewegung gegen die Tyrannei und für die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger in Belarus.

Berlin, 20. März 2006

 

 

 

 

Repression in Belarus

In Belarus, einem der neuen Nachbarn der Europäischen Union in Osteuropa, werden Menschenrechte massiv verletzt. Präsident Alexander Lukaschenko, 1994 nach einer demokratischen Verfassung gewählt, hat das Land mit einem Verfassungscoup im November 1996 und danach in einen neo-sowjetischen autoritären Staat umgewandelt:

Die Geltung von Verfassung und Gesetzgebung wurde durch die Willkür von Präsidialdekreten ersetzt.

Die Teilung zwischen der Exekutiven, der Legislativen und der Judikativen Gewalt des Staates wurde aufgehoben.
Wahlen werden systematisch manipuliert. Das Parlament hat keine Rechte. Das Budget des Präsidenten unterliegt der Geheimhaltung.
Die elektronischen Medien liegen in der Hand der Staatsmacht. Die freie Presse wird behindert, kritische Journalisten werden verfolgt.
Regierungsunabhängige Organisationen werden verboten.

Führende Oppositionelle wurden ermordet oder „verschwanden“.

Diese und andere Menschenrechtsverletzungen sind von weißrussischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen sowie von Europarat, OSZE und Vereinten Nationen dokumentiert worden. Doch das Regime von Lukaschenko kann sich zunutze machen, dass das politische Interesse an Weißrussland in Europa gering ist. Darunter leiden die alle Menschen in Weißrussland, die Opfer der Repression werden und sich demokratisch-rechtsstaatliche Verhältnisse in ihrem Land wünschen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 

 

 

Vorstand Dr. Hans-Georg Wieck
Stefanie Schiffer
Christoph Becker

 

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