Erklärung zum „Tag der Freiheit in Belarus“ am 25. März 2007

„Politische Solidarität mit den Freiheitskämpfern in Belarus“

 

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Erinnerungsdaten: 25. März 2006 und 25. März 1918

 Vor einem Jahr demonstrierten viele Bürger in Belarus, darunter zahlreiche Jugendliche, gegen die Fälschung der Präsidentschaftswahlen vom 19. März 2006, die von der Zentralen Wahlkommission zu verantworten war und die vom Präsidenten öffentlich bestätigt wurde.

Die Demonstranten widerstanden den Unbilden der großen Kälte, die in jenen Tagen in Minsk vorherrschte, und dem starken physischen und psychischen Druck, den die Miliz gegenüber den Demonstranten ausübte. Die vorherrschende „sibirische“ Kälte symbolisierte das politische Klima im Lande, das im Wege der Einschüchterung und des Missbrauch der Justiz mit dem Ziel vergiftet wird, um die Entschlossenheit der Freiheitskämpfer zu brechen.

Der Kampf für die politische Freiheit im Lande wird uneingeschränkt weiter geführt.

Die Demonstranten am 25. März 2007 werden die Öffentlichkeit auch an die Verfassung erinnern, die am 25. März 1918 in Minsk bei der Gründung des belarussischen Volksrepublik in Kraft gesetzt wurde, also bei der Gründung eines unabhängigen belarussischen Staates, der kurze Zeit danach von den Kommunisten überrannt wurde.

Am 25. März 2007 wird der regierende Machtapparat sicherstellen, dass die Manifestationen des Protests, der Unzufriedenheit und der Forderung nach Freiheit und Demokratie nicht außer Kontrolle geraten. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass die Demonstrationen eine Eigendynamik gewinnen, so wie es im Jahre 2006 und aus ähnlichen Anlässen in den vergangenen zehn Jahren zu wiederholten Malen geschah.

Die russischen Subsidien für Belarus sind reduziert worden, und es mögen weitere Kürzungen folgen. Die Bürger fragen sich, wie es unter diesen Umständen um die wirtschaftliche und soziale Stabilität des Landes und um ihren bescheidenen Wohlstand bestellt sein wird. Sie mögen auch die Frage stellen, ob das bestehende autoritäre Regime auf Dauer wirklich für das Land Gutes bringt – kann doch unter diesen Voraussetzungen die Option einer pro-europäischen politischen und wirtschaftlichen Orientierung nicht zur Geltung gelangen.

 

25 März 1957 – 25. März 2007: Die Europäische Union besteht 50 Jahre

Der Jahrestag der brutalen Niederwerfung der Freiheit und Demokratie einfordernden Bürger in Minsk – der 25. März 2006 – fällt mit dem 50. Jahrestag der Gründung der Europäischen Union (damals Europäische Gemeinschaft) zusammen: Am 25. März 1957 wurden in Rom die Verträge über die Bildung der Europäischen Gemeinschaft und der Atomgemeinschaft (EURATOM) unterzeichnet. Es war die Gründungsakte für die heutige Europäische Union mit 27 Mitgliedstaaten.

Die Union brachte

  1. dauerhaften Frieden zwischen den Völkern in Europa,
  2. legte die Fundamente stabiler demokratischer Ordnungen,
  3. befestigte die Herrschaft des Rechts und den Respekt für die individuellen Menschenrechte und
  4. schuf einen gemeinsamen Markt und damit wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt, der für viele Teile Europa Jahrhunderte hindurch unvorstellbar gewesen war.

 

Heute umfasst die Union 27 Mitgliedsstaaten, und weitere Staaten in Europa warten darauf, Mitglied dieser Union zu werden, in einer Union, die in so überzeugender Weise den historischen Teufelskreis von Krieg, Unterdrückung und Verarmung durchbrochen hat, der Jahrhunderte hindurch in Europa vorherrschte.

Es mag für Länder mit einer jahrzehntelangen sozialistischen Ordnung kein leichtes Unterfangen sein, die Rahmenbedingungen der demokratischen und wirtschaftlichen Transformationen zu erfüllen. Aber die Perspektive auf Mitwirkung in diesem neuen europäischen Prozess, für den es in der Geschichte keinen vergleichbaren Präzedenzfall gibt, und der auch die nationale Identitäten und Kulturen erhalten lässt, dient sehr oft als Stimulans, um die Last auf sich zu nehmen.

Das geforderte und geförderte Reformpaket hat gewaltige Ausmaße: Demokratische Staats- und Gesellschaftsstrukturen, die Unabhängigkeit der Gerichte, ja die Herrschaft des Rechts und der Respekt für die individuellen Menschenrechte sowie eine sozial verankerte Marktwirtschaft.

 

Die Europäische Union: Solidarität mit den Freiheitskämpfern in Belarus

Die Bürger in EU-Mitgliedstaaten bringen auf unterschiedlichem Wege ihre Solidarität mit den Menschen zum Ausdruck, die unter den Bedingungen der Lukaschenko-Diktatur leben müssen, z.B. durch Teilnahme an der humanitären Hilfe für die Opfer der Tschernobyl-Katastrophe von 1986 oder die Unterstützung bei der Bildung von kleinen selbständigen Unternehmen, bei kommunalen Projekten oder durch die Hilfeleistung für die Opfer der politischen Verfolgung in Belarus.

Brücken der Solidarität sind errichtet worden. Sie sind das Fundament für beiderseitiges Vertrauen und Offenheit. Man kann unter schwierigen Rahmenbedingungen vertrauensvoll und offen miteinander sprechen.

Belarus liegt geographisch in der Mitte Europas. Das herrschende Regime hat das Land von den politischen und gesellschaftlichen Strömungen und Prozessen Europas abgekapselt, hat Belarus ausgegrenzt und isoliert. Aber: Am Ende wird das freie und demokratische Belarus seinen legitimen Platz unter den freien Völkern Europas einnehmen.

Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten dürfen nicht wie unbeteiligte Zeugen die Unterdrückung der Freiheitskämpfer aus allen Teilen der sozialen Struktur des Landes, der demokratischen Bewegung auf der politischen Bühne und der von Lukaschenko abgefallenen Massenorganisationen wie den Gewerkschaften, Frauen- und Jugendorganisationen beobachten, die sich für die Geltung des Rechts, die Unabhängigkeit der Gerichte und der Medien sowie für die Rechte eines aus nicht manipulierten, sondern nach demokratischen Regeln gewählten Parlaments einsetzen.

Die politische Solidarität muss in koordinierte und wirksame Maßnahmen übertragen werden.

Seit mehr als zehn Jahren bekämpft das Lukaschenko-Regime die Grundpfeiler demokratischer Staatlichkeit und die Rechte der Zivilgesellschaft. Die Bevölkerung des Landes hinter Gittern und die in Ketten gelegte Zivilgesellschaft verdienen nicht nur unsere moralische Unterstützung, sondern auch die gelebte Partnerschaft mit den politischen Strukturen der Europäischen Institutionen und der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union:

Die Zeit ist reif für eine sichtbare und wirksame Partnerschaft: Die Europäische Union sollte für die effektive, die strukturierte und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in Belarus einen Beauftragten aus der Mitte der europäischen Zivilgesellschaft berufen. Ihm und seinen Beratern sollte die Aufgabe übertragen werden, in Zusammenarbeit mit europäischen Nichtregierungsorganisationen den in Belarus um demokratische Freiheiten und Rechte ringenden politischen und gesellschaftlichen Kräften mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Berlin

März 2007
„Menschenrechte in Belarus e.V.“

 

 

 

 

 

Repression in Belarus

In Belarus, einem der neuen Nachbarn der Europäischen Union in Osteuropa, werden Menschenrechte massiv verletzt. Präsident Alexander Lukaschenko, 1994 nach einer demokratischen Verfassung gewählt, hat das Land mit einem Verfassungscoup im November 1996 und danach in einen neo-sowjetischen autoritären Staat umgewandelt:

Die Geltung von Verfassung und Gesetzgebung wurde durch die Willkür von Präsidialdekreten ersetzt.

Die Teilung zwischen der Exekutiven, der Legislativen und der Judikativen Gewalt des Staates wurde aufgehoben.
Wahlen werden systematisch manipuliert. Das Parlament hat keine Rechte. Das Budget des Präsidenten unterliegt der Geheimhaltung.
Die elektronischen Medien liegen in der Hand der Staatsmacht. Die freie Presse wird behindert, kritische Journalisten werden verfolgt.
Regierungsunabhängige Organisationen werden verboten.

Führende Oppositionelle wurden ermordet oder „verschwanden“.

Diese und andere Menschenrechtsverletzungen sind von weißrussischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen sowie von Europarat, OSZE und Vereinten Nationen dokumentiert worden. Doch das Regime von Lukaschenko kann sich zunutze machen, dass das politische Interesse an Weißrussland in Europa gering ist. Darunter leiden die alle Menschen in Weißrussland, die Opfer der Repression werden und sich demokratisch-rechtsstaatliche Verhältnisse in ihrem Land wünschen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 

 

 

Vorstand Dr. Hans-Georg Wieck
Stefanie Schiffer
Christoph Becker

 

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