Stellungnahme zu den Präsidentschaftswahlen in Belarus

Veröffentlicht von Menschenrechte in Belarus am

Am 10.08.2020, dem Tag nach den Präsidentschaftswahlen in Belarus, erklärte sich der amtierende Präsident Alexander Lukschenka mit etwas über 80% der Stimmen zum Wahlsieger. Seine Herausforderin, Svetlana Tsikhanouskaya, kam dem amtlichen Endergebnis zufolge auf 9,9% der Stimmen.

Für die demokratische Öffentlichkeit in Belarus und in Europa steht außer Frage, dass das offizielle Wahlergebnis massiv gefälscht worden ist. Der tatsächliche Ausgang der „Wahl“, die zu keinem Moment frei und fair war, sondern auf Angst und Repression setzte, wird damit auf den Kopf gestellt. Für die Fälschung durch das Regime und das Ignorieren des Wählerwillens gibt es zahlreiche Hinweise wie etwa die Veröffentlichung von tatsächlichen Zahlen durch einige Wahllokale aus verschiedenen Teilen des Landes (Dörfer, Kleinstädte, Städte), die dem offiziellen Ergebnis diametral entgegenstehen, oder den Bericht der lokalen Wahlbeobachtung des Menschenrechtszentrums Viasna und des Belarussischen Helsinki-Komitees.

In den Nächten nach den Wahlen kam es in Belarus landesweit zu großen Protesten, die von Sicherheitskräften auf äußerst brutale Weise niedergeknüppelt wurden. Hunderte Menschen wurden verletzt, bislang starb ein Demonstrant. Svetlana Tsikhanouskaya befindet sich mittlerweile auf Grund ernsthafter Bedrohung ihres Lebens in Vilnius und hat sich, nachdem das Regime vermutlich mit Gewalt gegen ihre Angehörigen gedroht hat (ihr Mann sitzt in Belarus im Gefängnis) von den Protesten zurückgezogen.

Wir rufen die Politik, die Öffentlichkeit und die Medien in Deutschland und der EU dazu auf, die Fälschung des Ergebnisses der Präsidentschaftswahlen in Belarus offen zu benennen und die erneute „Selbsternennung“ von Lukaschenka zum „wiedergewählten“ Präsidenten nicht anzuerkennen. Der Druck aus dem Westen auf das Regime in Minsk, auch auf seine amtlichen Vertretungen im Ausland, darf nicht nachlassen und sollte von Sanktionen gegen die Verantwortlichen in Belarus flankiert werden, vor allem Reise- und Kontensperrungen für die Verantwortlichen der Wahlfälschung und Repressionen.

Kurzfristig brauchen die Menschen in Belarus ein Soforthilfeprogramm der EU für Rechtsbeistand, Prozesskosten, Geldstrafen, Hilfe für Menschen in Haft und deren Familien, medizinische Behandlung, kurzfristige Aufenthaltsmöglichkeiten im Ausland für politisch Verfolgte, Studienplätze für von den Universitäten verwiesene Student*innen usw.

Darüber hinaus bedarf es einer kraftvollen Unterstützung der belarussischen Bürgergesellschaft, die sich in den vergangenen Monaten auf beeindruckende Weise vom autoritären Machtapparat emanzipiert hat. Das kann durch Reisemöglichkeiten, intensivierten Austausch, Unterstützung unabhängiger Medien und Bildungsangebote geschehen. Es braucht zudem mehr Mittel für die Belarus-Arbeit von europäischen Organisationen, die mit wenig Bürokratie Initiativen und Bürgerengagement in Belarus auch ohne Zustimmung der Machthaber unterstützen können.

Berlin, den 12.08.2020

Stephan Malerius, Stefanie Schiffer, Denis Friedrich, Christoph Becker, Peter Liesegang


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