Strategiepapier 2008

Veröffentlicht von Menschenrechte in Belarus am

Lageanalyse und Politikempfehlungen

Sechs Punkte für Belarus:

  • Einrichtung des Amtes eines EU-Sonderbeauftragten für die Zusammenarbeit mit der belarussischen Zivilgesellschaft
  • Einrichtung eines Beraterkreises für die Belarussische Opposition mit erfahrenen europäischen Politikern im Rahmen der politischen Stiftungen
  • Konsultation und Einbeziehung der belarussischen Opposition beim Dialog der Europäischen Union mit dem belarussischen Regime und bei der Planung und Umsetzung von Initiativen
  • Eröffnung von Verhandlungen über ein Visumserleichterungsabkommen der Europäischen Union mit Belarus mit dem Ziel der Abschaffung der Visumgebühren für belarussische Bürgerinnen und Bürger gemäß der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. Februar 2008 (EuB-EP 1672)
  • Förderung nationaler und internationaler zivilgesellschaftlicher Institutionen, die ohne Zustimmung belarussischer Institutionen auskommt, etwa im Rahmen von Small Grant Programmen
  • Einsetzung einer Arbeitsgruppe aus lokalen und internationalen Menschenrechtsverteidigern zur Unterstützung von Opfern von Menschenrechtsverletzungen in Belarus, wie dies in der Resolution 1606 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zum Missbrauch des Strafrechtssystems in Belarus vom 15. April 2008 gefordert wird

Zielsetzungen des Papiers Belarus liegt im geographischen Zentrum Europas zwischen Polen und Russland. Politisch hat es nach dem Ende des Kalten Krieges in freien und fairen Wahlen seine politische Orientierung noch nicht stabilisieren können, ganz zu schweigen von einer demokratischen Ordnung europäischen Standards. Das autoritäre, aus manipulierten Wahlen hervorgegangene Regime Lukaschenkos bevorzugt eine starke Anbindung an Russland – allerdings als unabhängiger souveräner Staat. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten drängen das Regime zu substantiellen Reformen, um freie und faire Wahlen, ein demokratisch handlungsfähiges Parlament und die Unabhängigkeit der Gerichte zu erreichen. Damit würden auch die erforderlichen Voraussetzungen für eine freie Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger des Landes über eine mögliche Annäherung an die Europäische Union geschaffen. Die Vereinigung „Menschenrechte in Belarus e.V.“ hält es für unverzichtbar, die Fähigkeit der Zivilgesellschaft zu stärken, an der Gestaltung der Politik des Landes wirksam teilzunehmen, d.h. die demokratischen Kräfte in den Parteien und den gesellschaftlichen Strukturen zu unterstützen, das Informationsmonopol des Regimes zu brechen, die Verletzung von Menschenrechte zu beenden und die Marktwirtschaft gegenüber der staatlichen Dominanz in der Wirtschaft zu stärken. Unter den Jugendlichen wachsen die Skepsis gegenüber dem und die Distanz zum Regime. Junge Menschen aus Belarus sollten daher die Entwicklung der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten unmittelbar kennen lernen. Die Empfehlungen der Vereinigung für die konzeptionelle Strategie und für die praktische Politik der Europäischen Union und der Mitgliedsstaaten beruhen auf der Analyse der inneren Entwicklung von Belarus und seiner internationalen Positionierung. Die Lage: Die Russland-Abhängigkeit von Belarus wächst Putin und Lukaschenko haben mit ihren Vereinbarungen vom Dezember 2007 die Fortsetzung der engen Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten bekräftigt. Die russische Entscheidung vom Januar 2007, die bisherige Begünstigung des belarussischen Partners bei den Preisen für Erdöl und Erdgas schrittweise, schließlich aber substantiell zu reduzieren und in den kommenden Jahren die Preise an das Weltmarktniveau anzupassen, hat nicht zu einer Lockerung der wirtschaftlichen Verknüpfung geführt. Die Abhängigkeit von Russland ist hingegen nur verlagert worden:

  • Das Eigentum an der belarussischen Transitleitung geht auf russische Firmen über;
  • Russische Ölfirmen lassen auf eigene Rechnung in belarussischen Ölraffinerien russisches Erdöl verarbeiten und führen es selbst auf den westlichen Markt aus. Belarus verdient demnach nur an der Verarbeitung des Erdöls, nicht aber an der Vermarktung der Produkte. Die Raffineriekapazität und entsprechende Arbeitskräfte in Belarus werden weiterhin voll genutzt.
  • Die Anhebung des Erdgaspreises für 2008 von bisher 100 USD auf 119 USD pro 1.000 cbm blieb unter dem befürchteten oder erwarteten Ausmaß (160 USD) Im Jahre 2007 hatte es hingegen eine deutlich spürbarere Preiserhöhung gegeben: von 49 USD auf 100 USD pro 1.000 cbm Gas.
  • Die Bereitstellung von russischen Krediten in Höhe von 1,5 Mrd. USD und die Zusage weiterer Kredite verstärken den russischen Einflusses auf das wirtschaftliche und finanzielle Geschehen in Belarus. Belarus braucht Kredite und industrielle Investitionen.
  • Mit dem von Belarus geplanten Bau eines Atomkraftwerks mag die Abhängigkeit von russischem Erdgas und Erdöl abnehmen, jedoch nicht die Abhängigkeit von Russland (Technologie, Kredite, Brennstoff-Versorgung für das Nuklearkraftwerk)

Der auf Grund der Verschlechterung der belarussischen „Terms of Trade“ erwartete Knick im Wachstum der belarussischen Wirtschaft blieb aus. Allerdings verstärken sich inflationäre Tendenzen. Begünstigungen bestimmter Bevölkerungsgruppen (Studenten, Kriegs-Veteranen) wurden abgebaut, bzw. verlagert. Die Arbeitslosigkeit nimmt zu, wenn auch nicht dramatisch. Das Regime versucht, die Wirtschaft zu diversifizieren und westliche Investitionen zu aktivieren. Auch wendet es sich mit seinen Produkten überseeischen Märkten zu. Mit der Vereinbarung über gemeinsame Ölförderung in Venezuela hat die Regierung einen ersten Erfolg in ihrem Bemühen verzeichnen können, sich von russischen Energielieferungen unabhängiger zu machen. Es ist festzustellen: Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Landes von Moskau hat sich verstärkt. Der wirtschaftliche Einfluss Russlands auf Belarus nimmt zu, und damit auch das politische Gewicht Moskaus in Belarus. Wirtschaftlich relevante Infrastruktur des Landes geht in russische Hände über. Ohne Veränderung seiner innen- und außenpolitischen Orientierung und Politik, d.h. ohne die substanzielle Öffnung zur Europäischen Union verfügt Lukaschenko nur über begrenzte Möglichkeiten, die Abhängigkeit von Moskau zu verringern. Derzeit stark geförderte Kontakte mit außereuropäischen Märkten wie Venezuela, Iran und China können dies bislang nicht wesentlich ändern. Die Zusammenarbeit mit internationalen Banken wie der Weltbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung nimmt allerdings zu. Moskau braucht keine staatsrechtlich oder völkerrechtlich relevante Union mit Belarus, um seinen Einfluss in Minsk zu konsolidieren. Die Lage der politischen und gesellschaftlichen Opposition im Lande 1. Das Ansehen Lukaschenkos in der Bevölkerung liegt etwas über der 40 Prozentmarkierung, ist aber tendenziell abnehmend. Ob diese Tendenz auf die abnehmende Wirksamkeit der Regierungspropaganda zurückzuführen ist oder auf subjektive Vorstellungen der Bürger, ist schwer zu beurteilen. Jedenfalls hat die Bewegung der Opposition keinen entsprechenden Aufschwung erfahren. Unbestritten ist aber auch die Tatsache, dass die Mehrheit der Bevölkerung skeptisch gegenüber der von der Europäischen Union geforderten und geförderten Marktwirtschaft und deren sozialen Folgen für die Menschen im Lande ist. In der Bevölkerung nimmt die Zustimmung für einen pro-europäischen Kurs zu, aber die Umsetzung in eine entsprechende Politik wird nur von wenigen Fachleuten untersucht und propagiert. Es mangelt an soliden belarussischen Analysen der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen in Russland und in der Europäischen Union, um die Stärken und Schwächen der belarussischen Wirtschaft und ihrer Perspektiven auf diesen Märkten im Vergleich bewerten zu können. Unter der Jugend gibt es viel Opposition zu der vom Regime geförderten Staatsjugend, auch Opposition gegen die Unterdrückungspolitik des Regimes, aber kaum Engagement in den Fragen der Reform des Landes, um es europafähig zu machen. Die demokratischen Transformationsprozesse in der Ukraine werden in Belarus mit Interesse verfolgt, haben aber weder zur Verstärkung der Oppositionsaktivitäten noch zu einer Aufbruchsstimmung geführt, wie sie in der Ukraine in erheblichem Umfang fortbesteht. 2. Die Unterdrückung der politischen und gesellschaftlichen Opposition setzt sich ungebrochen fort. Angesichts der größeren Bedeutung, die das Regime der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Ländern der Europäischen Union beimisst, war von einigen Kreisen im Westen eine innenpolitische Auflockerung erwartet worden. Sie trat nur marginal und nur vorübergehend in Verbindung mit dem von der Opposition organisierten „Europa-Marsch“ ein. Die negative Einschätzung der Unterdrückungspolitik des Regimes durch die Europäische Union und die politische Öffentlichkeit im Westen (Europa, USA) blieb unverändert. Die von den europäischen Institutionen geforderte Entlassung politischer Häftlinge findet zum Teil statt. Eine der Schlüsselpersonen der Opposition – Kasulin – ist jedoch weiterhin im Gefängnis. Weitere Oppositionelle werden verhaftet. Kasulins Frau starb am 24. Februar 2008. Für das Begräbnis durfte Kasulin das Gefängnis für drei Tage verlassen. 3. Die Erwartungen an die Umsetzung der von der Opposition und vom Westen geforderten substanziellen Wahlrechtsreform in Verbindung mit den für Ende September 2008 geplanten Parlamentswahlen sind gering. Gleichwohl werden die Oppositionsparteien an den Wahlen teilnehmen, um sich im Land bekannt zu machen und um der Weltöffentlichkeit und den Menschen im eigenen Lande die Wahlmanipulationen des Regimes vor Augen zu führen. Manche Beobachter halten die Opposition für schwach und zerstritten. Der Präsidentschaftskandidat 2006, Alexander Milinkewitsch, hat sich nach den Wahlen nicht als Führer der Opposition behaupten können und bemüht sich, eine landesweite Freiheitsbewegung zu schaffen. An den Parlamentswahlen wird seine „Bewegung für die Freiheit“ nicht teilnehmen. Die demokratischen Parteien sind gespalten. Die meisten arbeiten im Demokratischen Führungsrat zusammen; die Sozialdemokraten sind gespalten. Die Gruppierung des im Gefängnis einsitzenden Kasulin setzt sich ebenso für einen pro-europäischen Kurs ein, wie die von Nikolai Statkewitsch geführte, heute aber marginalisierte Gruppierung Die Defizite der Opposition können nicht übersehen werden. Die Ursachen dafür sind weniger in der Handlungsunfähigkeit von Strukturen und politischen Führern zu sehen, die sich im politischen Ringen für ein freies Belarus einsetzen, sondern vor allem in der fortbestehenden Wirkung des staatlichen Unterdrückungsapparates (Angstfaktor) und der politischen Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch das Informations- und Medienmonopol des Regimes. Das Land zeichne sich, wie die Staatsmeinung lautet, durch politische und wirtschaftliche und damit auch soziale Stabilität aus, die es in dieser Ausprägung weder in Russland, noch in der Ukraine und schon gar nicht in der Europäischen Union gäbe. Diese Meinung wird unreflektiert von der Mehrheit der Bevölkerung übernommen, sie wird nicht hinterfragt. Die von der Opposition geforderte Orientierung nach Europa werde, wie die offiziellen Meinungsmacher vorgeben, zu sozialer Ungleichheit führen, ebenso die Hinwendung nach Russland. Sollte das Macht- und Meinungsmonopol entfallen, würde sich indessen eine Auffächerung des Meinungsbildes ergeben ebenso wie bei der politischen Orientierung. Angesichts der Verteuerung der Energie für Belarus werden Investitionen im Industriesektor zwingend notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit belarussischer Produkte auf dem russischen und vor allem auf dem EU-Markt zu erreichen bzw. zu verbessern. Belarus hat wegen der fehlenden Wirtschafts- und Kooperationsabkommen keinen privilegierten Zugang zum Europäischen Markt. Während sich in der Vereinigten Bürgerpartei pro-europäische und pro-russische Orientierungen etwa die Waage halten, dominieren in den anderen politischen Parteien und zivilgesellschaftlichen Bewegungen die pro-europäischen Tendenzen. 4. In der öffentlichen Meinungsbildung hat es folgende Tendenzen gegeben: Vertrauen in den Präsidenten von Belarus Alexander Lukaschenko 04/2006 05/2007 03/2008 Vertrauen 57,3 59,6 47,3 Vertrauen nicht 31,4 32,7 38,0 Übereinstimmung mit der Art der Regierungsführung 06/2006 05/2007 03/2008 Entwickelt sich in die richtige Richtung 59,6 57,8 50,2 Entwickelt sich in die falsche Richtung 31,0 30,0 34,5 Bevorzugung einer Integration mit Russland bzw. Beitritt zur EU 06/2006 06/2007 03/2008 Integration mit Russland 47,7 56,5 45,3 Beitritt zur EU 37,6 29,3 33,4 Quelle: IISEPS News, 1(47), 2008, www.iiseps.org Fazit Die Schwächen des Regimes bei wachsender wirtschaftlicher und damit auch politischer Abhängigkeit von Russland und bei abnehmender Konkurrenzfähigkeit der belarussischen Industrie auf dem russischen und dem westeuropäischen Markt infolge ausbleibender Modernisierung der Industrie sind den Menschen in Belaus noch nicht im vollen Umfang bewusst. Auch dass der Bau von Nuklearkraftwerken die Abhängigkeit von Russland (Brennstäbe, Finanzierung, Technologie, Endlagerung) eher noch erhöht, spielt in der Debatte bisher eine untergeordnete Rolle. Die Forderungen des EU-Memorandums zu Belarus vom 21. November 2006 und das langfristige Ziel der Assoziierung und Mitgliedschaft in der Europäischen Union konnte die Opposition bisher kaum für sich nutzbar machen und in der Öffentlichkeit diskutieren. Vor diesem Hintergrund dürfte es wünschenswert sein, dass die europäischen Berater und politischen Gesprächspartner die politische und gesellschaftliche Opposition bei der Verstärkung der gemeinsamen Handlungsfähigkeit unterstützen, auf die es ja in der Kommunikation mit den Bürgern und der Wirkung des öffentlichen und politischen Engagements ankommt. Die Belaruspolitik der Europäischen Institutionen, der Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft in der Europäischen Union 1. Bemühungen um einen konstruktiven Dialog mit dem Regime sowie die öffentliche Verurteilung seiner Unterdrückungsmaßnahmen halten sich in den europäischen Institutionen und in den Äußerungen von Parlamenten und Regierungen in Europa die Waage. Im Umgang mit der politischen und gesellschaftlichen Opposition überwiegt die Praxis der ereignisorientierten Reaktion, z.B. zum Jahrestag der März-Demonstration nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2006. Der Oppositionskandidat Milinkewitsch wurde vom Europäischen Parlament mit der Auszeichnung des Sakharow-Preises geehrt. Das konnte aber nicht bewirken, ihn – mit dem politischen Rückenwind der Europäischen Institutionen – als Führer der vereinigten Opposition zu etablieren. Mit dem Belarus-Memorandum vom 21. November 2006 hat die Europäische Union politisches Engagement im Ringen mit dem Regime um demokratische Reformen gezeigt und den Menschen im Lande Solidarität bekundet, die dem Unterdrückungssystem ausgesetzt sind. Das vom Europäischen Rat und der Europäischen Kommission im November 2006 verabschiedete „Non-Paper“ zu Belarus, das als „Botschaft an die Bevölkerung des Landes“ präsentiert wurde, verschärft den Forderungskatalog an das Regime und stellt ein politisches und wirtschaftliches Entgegenkommen nur bei Preisgabe spezifischer Unterdrückungsmaßnahmen gegen die Bevölkerung und inhaltlichen Annäherungen an die Demokratie-Standards Europas in Aussicht. Die Freilassung politischer Häftlinge wird mit besonderem Nachdruck gefordert. 2. Die Opposition wird aber immer noch nur zufällig und allenfalls marginal bei der Ausarbeitung von Entschließungen europäischer oder nationaler Institutionen zu Belarus konsultiert. Eine bessere Abstimmungspraxis sollte Platz greifen. In diesem Rahmen könnte von Zeit zu Zeit das „Non Paper“ der EU zu Belarus den sich verändernden gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen in Belarus angepasst werden. Angesichts der zunehmend kritischer werdenden Haltung der Europäischen Union und vieler ihrer Mitgliedstaaten gegenüber den sich verstärkenden autoritären Tendenzen in Russland, die sich auch mit massiven Wahlmanipulationen bei den Parlamentswahlen in Russland im Dezember 2007 deutlich zeigten, nimmt die bislang demonstrierte Bereitschaft Westeuropas ab, russische Interessen bei der Entwicklung der eigenen Politik gegenüber Minsk zu berücksichtigen. Im Rahmen des European Instrument for Democracy and Human Rights (EIDHR) hat die Europäische Union Gelder für Projekte zur Förderung von Demokratie und Menschenrechte in Belarus bereitgestellt. Dazu gehört die Unterstützung für unabhängige Medien im Zeitraum 2008 bis 2013 sowie die Unterstützung einiger deutscher und osteuropäischer Nichtregierungsorganisationen, um die Durchführung einer gezielten Lang- und Kurzzeit- Wahlbeobachtung durch einheimische Strukturen bei den Parlamentswahlen im Herbst 2008 in Belarus zu ermöglichen. Die Europäische Union hat 2 Mio. Euro für ein europäische Radio- und TV-Programm für Belarus eingestellt. Mit dieser Summe ist nur ein eingeschränktes Programm möglich. Gleichzeitig engagieren sich Polen mit der Finanzierung vollwertiger eigener Radio- und Fernsehprogramme (Radio Racyja, BelSAT). Die russische Redaktion der Deutsche Welle sendet ein Fenster für Belarus. Das Fehlen einer koordinierten Medienpolitik der Europäischen Union für Belarus ist offensichtlich und angesichts fehlender Pressefreiheit in Belarus bedenklich. 3. Eine strukturierte pro-aktive Politik in Kooperation mit den Oppositionskräften ist weiterhin weder bei der Europäischen Union noch bei den wichtigsten EU-Mitgliedstaaten in Sicht. Eine so strukturierte Politik und Partnerschaft mit und gegenüber der Zivilgesellschaft und dabei insbesondere mit der politischen und der gesellschaftlichen Opposition muss weiterhin angemahnt werden. Eine solche Politik wäre die wirksamste Form der Förderung der unterdrückten Opposition und könnte ein wirksames Gegengewicht zum Druck des Regimes gegen die Opposition darstellen. Den im Jahre 2007 durchgeführten Belarus-Konferenzen mangelte es mit Ausnahme des jährlich stattfindenden Minsk-Forums an Nachhaltigkeit. Das Minsk-Forum weist manche Vorteile auf, macht aber auch ständig die vom Regime erzwungene öffentliche Diskriminierung der Opposition auf den Podien manifest und ist mit der Verweigerung von Visen für ausländische Regime-Gegner verbunden – eine nicht hinnehmbare Einengung einer politisch-akademischen Veranstaltung. Wir brauchen Veranstaltungen mit Nachhaltigkeit und belarussischer, qualifizierter Beteiligung im Westen. Wir müssen darüber sprechen, wie wir das zu Stande bringen können. Nach Möglichkeit sollten solche Konferenzen zu konkreten Handlungsempfehlungen führen. Zusammenfassend bleibt festzustellen Belarus erscheint wieder auf der Prioritätenliste der EU-Außenkooperation auf dem Felde der Demokratieförderung. Die Bereitschaft, sich für Belarus zu engagieren, ist gestiegen. Dies hat sich bisher nicht spürbar in politischen Initiativen und erhöhter finanzieller Ausstattung ausgewirkt.

    • Die Opposition in Belarus wird bei der Erarbeitung von Strategien der Europäischen Union zu Belarus nur marginal und zufällig einbezogen.
    • Die Instrumente der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) sind für Belarus weitestgehend ungeeignet, weil sie von der Zustimmung der entsprechenden Regierung abhängen. Allein das Instrument zur Förderung von Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) bietet Handlungsmöglichkeiten. Das zu Jahresbeginn angekündigte Vorhaben der Kommission zur Reform der ENP-Instrumente lässt deshalb hoffen.
    • Ein großes Manko bleibt das größtenteils wenig koordinierte und wenig strukturierte Vorgehen der einzelnen Mitgliedstaaten in Bezug auf Belarus.

Empfehlungen an eine europäische Belaruspolitik

  • Einrichtung des Amtes eines EU-Sonderbeauftragten für die Zusammenarbeit mit der belarussischen Zivilgesellschaft und eines daran angegliederten Demokratiefonds für Belarus, um die Zusammenarbeit mit der politischen und der gesellschaftlichen Opposition in Belarusfördern.
  • Der EU-Sonderbeauftragte könnte zudem einen Beitrag zur weiteren Koordinierung der Belaruspolitiken der EU-Mitgliedstaaten leisten.
  • Einrichtung eines Beraterkreises für die Belarussische Opposition mit erfahrenen europäischen Politikern im Rahmen der politischen Stiftungen.
  • Die Politischen Stiftungen sollten das Gespräch über die Bildung einer deutsch-belarussischen Arbeitsgruppe (Runder Tisch Belarus) eröffnen, die auf EU-Seite „hochrangig“ und fachlich qualifiziert zusammengesetzt sein und das EU-Thema bearbeiten sollte. Die belarussische Seite könnte aus dem Kreise der interessierten politischen und gesellschaftlichen Oppositionsstrukturen gebildet werden.
  • Grundsätzliche Konsultation und Einbeziehung der belarussischen Opposition beim Dialog der Europäischen Union mit dem belarussischen Regime und bei der Planung und Umsetzung von Initiativen
  • Eröffnung von Verhandlungen über ein Visumserleichterungsabkommen der Europäischen Union mit Belarus mit dem Ziel der Abschaffung der Visumgebühren für belarussische Bürgerinnen und Bürger, wie dies die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. Februar 2008 (EuB-EP 1672) fordert
  • Die EU sollte deutlicher als bisher zwischen den Angeboten unterscheiden, die an die Erfüllung der von ihr formulierten Bedingungen durch die belarussische Regierung geknüpft sind und jenen, die zum Wohl der belarussischen Bevölkerung auch unabhängig von einem Kurswandel der offiziellen belarussischen Politik gemacht werden sollten. Die gegenwärtig nur fallweise mögliche Reduzierung von oder Verzicht auf Visums-Gebühren sollte in einem ersten Schritt den Spielraum des Schengen-Besitzstands nutzen und allen jungen Menschen aus Belarus kostenlose Visa garantieren, wie dies in Anträgen des Bundestages vom 14. April 2008 gefordert wird. In einem nächsten Schritt sollte die EU trotz Kontaktsperre mit dem Regime Verhandlungen über ein Visumserleichterungsabkommen eröffnen und hierbei auf einen vollständige Verzicht auf Visumgebühren für Belarus orientieren, wie dies die Entschließung des Europäische Parlaments vom 21. Februar 2008 vorschlägt.
  • Finanzielle Förderung nationaler und internationaler zivilgesellschaftlicher Strukturen, die ohne Zustimmung belarussischer Institutionen auskommt, etwa im Rahmen von Small Grant Programmen.
  • Dazu gehören Austauschprogramme und -initiativen, unabhängige gesellschaftliche Organisationen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene, unabhängige Medien und Kulturstrukturen, Bildung und Wissenschaft.
  • Einsetzung einer Arbeitsgruppe aus lokalen und internationalen Menschenrechtsverteidigern zur Unterstützung von Opfern von Menschenrechtsverletzungen in Belarus, wie dies in der Resolution 1606 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zum Missbrauch des Strafrechtssystems in Belarus vom 15. April 2008 gefordert wird.

Verein Menschenrechte in Belarus 1. Die kontinuierliche Aussprache im Kreise der Vereinigung „Menschenrechte in Belarus“ soll helfen, mögliche Fördermaßnahmen für Strukturen zu definieren und Initiativen zu ergreifen oder zu fördern. 2. Die Vereinigung „Menschenrechte in Belarus“ sollte auch im Jahre 2008 zusammen mit anderen Nichtregierungsorganisationen und Instituten, wie der Deutsch-Belarussischen Gesellschaft, der Stiftung Wissenschaft und Politik, der DGAP und der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde Schlüsselpersonen der politischen und der gesellschaftlichen Opposition in Belarus zu Besuchen nach Deutschland einladen. Mit diesen Kontakten sollte die Bildung verlässlicher grenzüberschreitender Netzwerke gefördert werden. 3. Parlamentswahlen am 28. September 2008 An geeigneter Stelle sollte in Kooperation mit anderen Einrichtungen (Deutsch-Belarussische Gesellschaft, Deutsche Welle) in Berlin – nach Möglichkeit auch parallel dazu in Warschau, Vilnius, Minsk und Moskau – ein Zentrum für die systematische Verbreitung von Informationen über die Parlamentswahlen 2008 gebildet werden, z.B. im „Haus der Demokratie“, Berlin. Dort sollten auch Veranstaltungen zu Themen des Wahlkampfes und der Wahlen stattfinden (Podiumsdiskussionen, Interviews).